Ich bin verwirrt. Ich höre immer wieder, man solle nicht so viel
lesen zum Thema Kindererziehung. Zum einen läge es dem Menschen im
Blute, man müsse nur auf die Intuition, auf das Bauchgefühl hören.
Dann mache man das schon ganz natürlich richtig, das mit der
Kindererziehung. Zum anderen solle man sich Fehler erlauben. Man
mache sie ja eh. Ließe sich gar nicht vermeiden, was also soll der
Stress.
Gut, nehmen wir mal an, diese Aussagen entsprechen der Wahrheit
und wenden wir sie an auf ein vereinfachtes Modell der Erziehung, auf
die Erziehung des besten Freundes des Menschen, auf die Erziehung des
Hundes. Ich persönlich besitze keine Vorbildung darüber, wie man
mit einem Hund umgehen sollte. Ich kann absolut Nichts darüber
sagen, wie man einen Hund erziehen sollte. Also verlasse ich mich auf
mein Bauchgefühl: Ich finde die Dinger unheimlich, die riechen
komisch, die sabbern rum und springen an mir hoch. Kann ich gar nicht
leiden. Den intensivsten (Körper-)Kontakt mit Hunden hatte ich beim
Joggen in der Feldmark. Genau genommen war das eher intensiver
Gebiss-Gesäß-Kontakt. Hat mir nicht gefallen. Mache ich das jetzt
intuitiv richtig? Oder habe ich einen Fehler begangen im Umgang mit
Hunden? Wäre ja erlaubt. Neuer Versuch, ich gehe auf den Hund von
Bekannten zu. Ja, hallo Hundi, ja hallo Hundi, ein paar mal den Kopf
gekrauelt NEIN! nicht Hochspringen, NICHT Hochspringen! Dann loben.
Okay. Den Rest des Abends lässt der mich in Ruhe. Ich bin scheinbar
uninteressant. War das jetzt besser?
Offenbar kann ich Hundeerziehung nicht leisten, da ich einfach
nicht genügend Umgang mit Hunden habe. Innerhalb meiner Familie,
meines Freundes- und Bekanntenkreises gibt es wirklich nur so
drei-vier Exemplare (und ich hoffe immer, die sind gerade weg). Dabei
kann man mit Hunden tolle Sachen machen! Ich bin überhaupt erst auf
das Thema gekommen, als ich in einer Buchhandlung in der
Jagdabteilung durch die „Wild & Hund“ Sonderausgaben,
„Grundwissen Jagd“ und „Welpenabrichten zum Wildhund“
geblättert habe. Das waren Geschichten von wahren Freunden, kluge,
ruhige Hunde, die hatten was auf dem Kasten. Die leisten Arbeit und
können danach bei ner feinen Dose Batzen im Kreise der Familie
entspannen, mit den Kindern spielen. Hat mich total beeindruckt. Und
dann gehe ich raus aus dem Geschäft und sehe, wie drei Hunde jeweils
mit ihrem Frau Herrchen Gassi gehen. Also, der Hund führt. Was soll
denn das? Wage meine ich mich zu erinnern, dass der Hund ein
Rudeltier sei, da ist augenscheinlich klar, wer der Ranghöhere ist.
So ein Monster würde ich mir nicht ins Haus holen. Das sagt mir
meine Intuition. Wo bleibt die Intuition der Hundebesitzer?
Und genau DA wurde mir mein Denkfehler bewusst: Erziehung liegt
dem Menschen nicht im Blut! Sonst könnte er das ja. Nur meine
Verwirrung bleibt. Wie und wo lernt man das denn dann? Und wenn die Menschheit
das nicht mal mit den Hunden richtig kann, wie macht sie das dann nur
mit dem eigenen Nachwuchs? Der ist schließlich auch unheimlich,
riecht manchmal seltsam, sabbert rum und springt an einem hoch.
Wie jetzt, Du hast dem Hund in den Arsch gebissen? Da garantiere ich Dir, dass Du da intuitiv was falsch gemacht hast. Und ich kann verstehen, dass Dir das nicht gefallen hat.
AntwortenLöschenAber weiter: Erziehung liegt den Menschen genau so weit im Blut -besser in den Genen-, wie die Evolution reicht. Also bis vor etwa 10000 Jahre. Damals konnte Vater Neandertaler sein Balg vor dem Mammut retten und mehr gehörte zur Erziehung nicht.
Seitdem aber ist die genetische Evolution am Ende und wurde (zum Glück) durch eine kulturelle Evolution ersetzt. Erziehung kommt also nicht mehr aus den Genen, sondern hat aus der Kultur zu kommen. Also -und da schließt sich der Kreis- aus albernen Ratschlägen von Personen Deiner Wahl oder dem Ratgeber aus dem Buchladen. Such's Dir aus, Dein Bauch hilft Dir nicht.